Flageolett

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Um das Folgende verstehen zu können, sollten die Teiltonreihe und die Stimmungen der Streichinstrumente und der Gitarre bekannt sein.
Auf Saiteninstrumenten gibt es Töne, die Flageolett genannt werden. Sie werden verwendet, weil sie eine spezielle, flötenähnliche Klangfarbe haben. Hervorgebracht werden sie dadurch, dass die Saite an mindestens einer Stelle nicht fest aufs Griffbrett gedrückt wird, sondern mit dem Finger nur berührt wird. Dadurch schwingt die Saite sowohl auf der Strecke zwischen dem berührten Punkt und dem Steg, als auch auf der dem Steg abgewandten Seite des berührten Punktes.
Die Flageolette werden in natürliche und künstliche Flageolette eingeteilt. Bei den natürlichen wird die Saite nur berührt. Bei den künstlichen wird sie von einem Finger fest auf das Griffbrett gedrückt und mit einem anderen Finger nur berührt. Der Punkt, an dem sie berührt wird, liegt zwischen dem Steg und dem Punkt, an dem sie heruntergedrückt wird.
Beim natürlichen Flageolett schwingt die Saite in ihrer ganzen Länge, beim künstlichen Flageolett auf der Länge zwischen dem Steg und dem Punkt, an dem sie aufs Griffbrett gedrückt wird.
Flageolette werden in unterschiedlicher Weise notiert. Von manchen Komponisten wird notiert, wie das Flageolett hervorzubringen ist. Um zu wissen, welche Tonhöhe dann erklingt, muss klar sein, wie die Tonhöhe des Flageoletts aus den Tonhöhen der leeren Saite bzw. der Stelle, an der die Saite heruntergedrückt wird, und der Stelle, an der die Saite nur berührt wird, ausgerechnet wird.
Zum leichteren Verständnis werden zwei Begriffe definiert, "Berührton" und "Festton".
Berührton ist derjenige Ton, der erklingen würde, wenn die Saite an der Stelle, an der sie nur berührt wird, richtig aufs Griffbrett herunter gedrückt und dann normal gestrichen oder gezupft würde.
Festton ist derjenige Ton, der erklingen würde, wenn die Saite gestrichen würde, ohne sie zu berühren. Beim natürlichen Flageolett ist das die leere Saite und beim künstlichen Flageolett der gegriffene Ton.
Mit diesen Begriffen lässt sich die Regel für die Tonhöhe des erklingenden Flageoletts leicht formulieren.
Der erklingende Flageolettton ist der tiefste gemeinsame Teilton von Festton und Berührton.
Das folgende Beispiel zeigt den Zusammenhang. Der Berührton ist als rautenförmiger Notenkopf dargestellt.

Umgekehrt lassen sich zu jedem gewünschten Flageolettton sämtliche geeigneten Paare von Festton und Berührton finden, mit denen der gewünschte Ton als Flageolettton hervorgebracht wird. Hier gilt folgende Regel:
Um einen Ton als Flageolettton hervorzubringen, kann jedes beliebige Tonpaar seiner Untertonreihe mit teilerfremden Ordnungszahlen gewählt werden, wobei der tiefere Ton als Festton und der höhere als Berührton zu wählen ist.
Die Untertonreihe ist das Spiegelbild der Obertonreihe. Sie ist nur eine Hilfskonstruktion zur Ermittlung der Flageoletttöne, kein physikalisches oder hörpsychologisches Phänomen.

Beispiel:


h" soll als Flageolett hervorgebracht werden. Dazu wird die Untertonreihe von h" bestimmt. Sie ist in folgendem Notenbeispiel dargestellt.

Mit diesen Tönen gibt es rein theoretisch 11 Möglichkeiten.

Die Zahlenpaare (4, 6) und (3, 6) sind nicht teilerfremd. Deswegen ergeben sich hier tiefere Flageoletttöne.


Literaturbeispiele


Berlioz, Roméo et Juliette, Scherzo, Eulenburg-Partitur, S. 199
Mahler, 1. Symphonie, Anfang
Mahler, 3. Symphonie, 4. Satz, Takt 21
Verdi, Un ballo in maschera, Preludio, Ricordi-Partitur, Ziffer 2, S. 4; hier sind die Flageolette in Form von Violin-Fingersätzen angegeben.
Verdi, Don Carlo, 1. Akt, 4. Szene, Nr. 10, 4. Szene, Große Szene und Duett, Peters-Partitur (Soldan), S. 135, T. 386; Dover-Partitur, Meno mosso, Buchstabe F, S. 213
Verdi, Aida, 4. Akt, Ricordi-Partitur, Buchstabe X, S. 434
Verdi, Falstaff, 3. Akt, 2. Teil, Ricordi-Partitur, Ziffer 35, S. 377
Wagner, Lohengrin, Anfang
Wagner, Siegfried, 2. Akt, "Hei, Siegfried gehört nun der Niblungen Hort!", Eulenburg-Partitur, S. 631
Schönberg, Verklärte Nacht, Schluss, S. 51

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